Gespannt blickten die 25 Schülerinnen und Schüler der Klasse 9g nach vorne. Was würde demnächst wohl passieren? Die Jugendlichen hatten sich zwar schon oft Gerichtsshows im Fernsehen angesehen, eine echte Gerichtsverhandlung, wie sie nun gleich im Amtsgericht Freiburg beginnen würde, hatte aber noch keiner von ihnen erlebt. Umso enttäuschter waren die Klasse und ihr Lehrer Oliver Staib dann, als sie erfuhren, dass die Verhandlung in Saal 4 heute ausfallen würde, weil die Angeklagte nicht kam. Doch zum Glück fand sich schnell eine andere Verhandlung, bei der die Schülerinnen und Schüler zuschauen konnten.

Bei dieser Gerichtsverhandlung wurde der Angeklagte beschuldigt, in der Nacht auf den Vatertag 2014 eine Frau brutal zusammengeschlagen und beleidigt zu haben. Der Täter behauptete, es nicht gewesen zu sein. Nach 5 Zeugenaussagen und keinem genauen Ergebnis beschloss die Richterin, weitere Zeugen vorzuladen und die Verhandlung eine Woche später fortzusetzen. Das war für die Klasse natürlich sehr ärgerlich, denn nun war es unmöglich, das Urteil mitzubekommen. Der Anwalt der Nebenklägerin bekam das mit und bot an, Herrn Staib eine E-Mail mit dem Ausgang der Verhandlung zukommen zu lassen.

Das Ergebnis am Ende war, dass der Angeklagte wegen Beleidigung und Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt wurde. Die Vollstreckung der Strafe wurde für die Dauer von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Der Täter muss der Geschädigten außerdem 2.000 € in monatlichen Raten von 50 € zahlen, dazu kommen noch 6.000 € Schmerzensgeld. Schließlich muss der Täter für alle zukünftig entstehenden Schäden aufkommen. Da der Angeklagte bis zum Schluss angab, nicht der Täter gewesen zu sein, ist es gut möglich, dass er in Berufung geht.

Und wie kam das Urteil jetzt bei den Jugendlichen an? Unterschiedlich. Während eine Gruppe der Meinung ist, dass es nicht genügend Beweise für eine Schuld des Angeklagten gegeben hätte, waren andere der Meinung, dass sie auch so geurteilt hätten, wenn sie an Stelle der Richterin gewesen wären. Alles in allem war der Tag bei Gericht aber sehr interessant, „weil wir jetzt endlich mal wissen, wie eine Gerichtsverhandlung in echt abläuft“, wie eine Schülerin treffend bemerkte.